Das große Ganze im Blick

Das große Ganze im Blick
Labore, Büros, Reinräume, Ausstellungsfläche – das sind 3.000 m² ZeMA. Am Zentrum für Mechatronik und Automatisierungstechnik in Saarbrücken wird bereits seit 2009 daran gearbeitet, Forschungs- und Entwicklungsergebnisse schnellstmöglich in die Industrie zu transferieren und in reale Anwendungen zu überführen. Wie genau das aussieht, zeigen uns Sophie Nalbach und Paul Motzki bei unserem Besuch.
Im ZeMA herrscht eine lebendige und offene Arbeitsatmosphäre: Hier arbeiten über 120 Mitarbeitende interdisziplinär zusammen, auch über die sechs Forschungsgebiete hinweg. Denn neben Forschung und Wissenstransfer fördert das ZeMA Lehraktivitäten und die Ausbildung von Ingenieurinnen und Ingenieuren in enger Kooperation mit den ansässigen Hochschulen. So kommen ein riesiges wissenschaftliches Potenzial, spezifisches Know-how und neueste Forschungsergebnisse zusammen. Naheliegend also, dass das ZeMA in der Öffentlichkeit immer wieder als saarländische Ideenschmiede wahrgenommen und bezeichnet wird.
Verbindung von Industrie und akademischer Welt
Zum Selbstverständnis des ZeMA gehören die anwendungsorientierte Forschung und industrienahe Entwicklung. Alles dreht sich um den Technologietransfer in die Industrie, was vor allem durch das starke Netzwerk mit über 100 Partnern gelingt. Ziel dabei ist es, neues Forschungswissen dazu zu nutzen, einerseits den saarländischen Wissens- und Technologiestandort zu stärken und andererseits neue Geschäftsmodelle, neue Anwendungen und auch neue Arbeitsplätze zu generieren. Doch das ist noch nicht alles, die Aufgabe wird konkreter – alle Entwicklungen sollen die Energieeffizienz deutlich steigern und klimafreundlich sein.

Im Labor werden Forschungsergebnisse anwendungsorientiert und industrienah entwickelt und geprüft.

Der interdisziplinäre Austausch zwischen Mitarbeitenden und Forschungsbereichen wird am ZeMA sehr geschätzt.

Am ZeMA steht ein vielfältiges Portfolio an 3D-Drucktechnik zur Verfügung. Kurze Wege und schnelles Prototyping machen so agile Forschung möglich.
Dieser Herausforderung nimmt sich das iMSL – intelligent Material Systems Lab, sowohl Forschungsgruppe des ZeMA als auch Lehrstuhl an der Universität des Saarlandes, gerne an. Und auch Paul Motzki unterstützt mit seiner Professur SMiP – Smarte Materialsysteme für innovative Produktion bei der Entwicklung mechatronischer Systeme auf Basis von smart materials. Anwendungsmöglichkeiten hierfür gibt es genug. Die Forschungsergebnisse können in den Bereichen der Automobilindustrie, Luft- und Raumfahrt, Chemieindustrie, Smart Home bis in die Biomedizin Verbesserungen initiieren.
Auf Bestehendem aufbauen
Beobachtet man die Zusammenarbeit am ZeMA genauer und hört zu, wie Sophie Nalbach die Forschungsprojekte vorstellt, fällt neben der unkomplizierten „Hands-on-Mentalität“ auf, dass immer wieder das große Ganze in den Blick genommen wird. Systemlösungen – genau diese sind es, die hier vorgedacht, ausprobiert und weiterentwickelt werden. Dabei greift die Forschung des iMSL durchaus auch auf kommerziell verfügbare smart materials zurück. Klar, warum auch sollte ein spezifisches Material, zum Beispiel der FGL-Draht immer wieder weiterentwickelt werden, wenn er bereits ausgereift ist und seriell gefertigt werden kann!? Stattdessen interessieren sich die Forschenden des iMSL dafür weiterzudenken: Sie beschäftigen sich damit, wie das smarte Material mindestens genauso intelligent auch mit allen weiteren Bauteilen interagieren und das Zusammenwirken beeinflussen kann. Wie es der Name der Forschungsgruppe bereits verrät: Sie nehmen sich das komplette System vor.
Smarte Materialsysteme mit Mehrwert
Um die Forschungsergebnisse zum einen weiter in die Industrie, also zum zukünftigen Anwender zu tragen, und zum anderen bis zur industriellen Fertigung zu bringen, ist es dann jedoch ein weiter Weg, erklärt uns Paul Motzki. Einen großen Teil der Arbeit am iMSL macht daher auch die Netzwerkarbeit, Kommunikation, Wissensvermittlung und die Vorstellung der Forschungsergebnisse aus. Beim Besuch der Präsentationshalle des ZeMA und speziell dem Bereich „Smarte Materialsysteme“ wird deutlich: Das kann das Team des iMSL sehr gut. Die Informationstafeln und vielfältigen Demonstratoren zeigen die Vielfalt des Forschungsbereiches, die Nähe zur Wirtschaft und die Freude an Zukunftsthemen.
Und natürlich gibt es bereits Forschungsthemen und Anwendungen, die den Sprung geschafft haben.
Paul Motzki macht uns auf das Startup mateligent aufmerksam, das es sich mit seinen Tochterfirmen zur Aufgabe gemacht hat, die Ergebnisse verschiedener Forschungsprojekte für eine industrielle Fertigung weiterzuentwickeln und auf dem freien Markt anzubieten. So sollen smart materials den Weg in die Industrie finden.
Spannende Forschungsprojekte, die derzeit vorangetrieben werden

Smart materials Formgedächtnislegierungen sind im Projekt „Bistabile FGL-Aktorik“ dafür zuständig, mit kurzen Aktivierungspulsen zwischen zwei Schaltstellungen zu schalten, welche dann energiefrei gehalten werden können.

Die gleiche Technik macht sich auch das Projekt „SMARTGrip“ zu Nutze und verbaut die Schnappaktorik („Knackfrosch“) aus dem vorher gezeigten Projekt. Die entstandene druckluftfreie Greifertechnik mit integrierter Sensorik ist vollelektrisch, leise, leicht, hocheffizient und Reinraumgeeignet.

Leicht, formvariabel und energieeffizient – das „DE-Ventil“ ist ein elektrisch gesteuertes Ventil, basierend auf einem Aktor aus Dielektrischem Elastomer nach dem neuartigen „floating“ Konzept.

Auch der „Vibrationsförderer“ nutzt Dielektrische Elastomere als Vibrationsaktuatoren oder Schwingförderer, um unterschiedliche Granulate oder Güter fein dosierbar zu fördern.

Derzeit in aller Munde und als Zukunftsthema gefeiert: Elastokalorik. Ohne klimaschädliche Kühlmittel mit hohem Wirkungsgrad: Am ZeMA wurde der weltweit erste kontinuierliche Luft-zu-Luft-Demonstrator entwickelt, der die neue Technologie zeigt.

Der Handschuh – ausgestattet mit Sensor- und Aktorelementen – kann während des Tragens Positions-, Geschwindigkeits- und Kraftmessungen durchführen. Gleichzeitig erhält der Nutzer haptische, akustische und/oder visuelle Rückmeldungen auf bestimmte Tätigkeiten.
Aber gedanklich zurück zum Anfang: 3.000 m2 ZeMA – das sind eben nicht nur Labore, Büros, Reinräume und Ausstellungsfläche. Sondern vor allem die Vielzahl der Projekte sowie das, was sie alle miteinander verbindet: Die agile Denkweise, der Mut zum Ausprobieren und die enge Zusammenarbeit eines interdisziplinären Teams. ZeMA und iMSL begeistern und machen neugierig auf Mehr, denn von unserem Besuch bleibt vor allem auch in Erinnerung: Hier ist das Ziel eines Forschungsprojekts nicht nur ein Ergebnis, sondern vielmehr ein Erlebnis.

Prof. Dr.-Ing. Paul Motzki
- Direktor des Forschungsbereichs „Smarte Materialsysteme“ am ZeMA
- Professurinhaber „SMiP – Smarte Materialsysteme für innovative Produktion“ an der Universität des Saarlandes, Fachrichtung Systems Engineering
- Vorsitzender des VDI/VDE Fachausschuss GMA 2.16: Smart Materials and Systems
Dr.-Ing. Sophie Nalbach
- Bereichsleiterin „Smarte Materialsysteme“ am ZeMA
- Managing Director an der Professur „SMiP – Smarte Materialsysteme für innovative Produktion“ an der Universität des Saarlandes
Redaktion

Grusswort
Mit smarten Materialien cool in die Zukunft Elastokalorik als Gamechanger der Klimatechnik
Starke Messeauftritte unter dem Dach des smart³ e.V. Ein Rückblick auf die BoKoMat und Motek 2023