Fassaden der Zukunft

Fassaden der Zukunft
Für die internationalen Kunden ist auf der Unternehmenswebsite Berlin als Standort angegeben. Wer Priedemann persönlich ansteuert weiß, der Firmensitz liegt kurz vor den Toren der Hauptstadt in Großbeeren – gut angebunden zwischen Logistikhallen des Brandenburger Güterverkehrszentrums. Schon die Eingangsfassade verrät dem Besucher, dass er sein Ziel erreicht hat. Sie ist mit modernster Technologie aus der eigenen Forschung und Entwicklung ausgestattet und verkündet weithin sichtbar: Hier schlägt das Herz von Priedemann Facade Experts.
Der Eingangsbereich des Gebäudes ist südlich ausgerichtet und wurde Anfang 2025 mit einer solarthermischen Kollektorfassade ausgerüstet. Sie stellt eine Erstumsetzung des Forschungsprojekts DESTINI dar, welches vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) gefördert und mit den Kooperationspartnern Fraunhofer ISE, dem Borderstep Institut für Innovation und Nachhaltigkeit gemeinnützige GmbH sowie Schindler Fenster + Fassaden GmbH entwickelt und realisiert wurde. Bei Priedemann versteht man die Fassade immer als Gesamtsystem. Im Projekt DESTINI liegt zusätzlich ein Schwerpunkt auf der Integration solarer Energiegewinnung. Dem folgend entstand ein außenliegender Sonnenschutz mit drehbaren Großlamellen, in die jeweils Heatpipes eingebracht wurden. Die Lamellen sind über ein speziell ausgelegtes Automatisierungskonzept in der Lage im Tagesverlauf dem Stand der Sonne zu folgen. Der Demonstrator umfasst neben der Eingangsfassade auch ein zusätzlich realisiertes Outdoor-Living-Konzept, eine Art Pavillon, der zukünftig auch als Aufenthalts- und Arbeitsbereich für die Mitarbeitenden dienen soll. Beide sind mit zusätzlichem Wärmespeicher an das Heizungssystem des Gebäudes gekoppelt und tragen – insbesondere in den Übergangszeiten zwischen Sommer und Winter – zur positiven Energiebilanz des Gebäudes bei.

eine selbst entwickelte solarthermische Kollektorfassade.
Foto: merlin Magazin, Sascha Linke

sind schwenkbar und richten sich nach dem Sonnenstand aus.
Foto: merlin Magazin, Sascha Linke

Oft ergibt sich daraus ein Entwicklungsbedarf für eigene Softwaretools, um Prozesse zu automatisieren und die weitere Arbeit zu erleichtern.
Foto: merlin Magazin, Sascha Linke
Es ist spannend zu sehen, wie hier ein selbst entwickeltes System gebaute Realität wird. In diesem Sinne dient die Demonstrator-Fassade als Best Practice Beispiel für das Mindset des Priedemannschen Facade-Labs., So nennt sichdie hauseigene Plattform für enge Zusammenarbeit verschiedener Experten aus Forschung, Wirtschaft, Industrie und Lehre. Ziel der gemeinschaftlichen Bestrebungen ist es innovative Fassadenlösungen zu entwickeln, welche den aktuellen, komplexen Herausforderungen des Bauens entgegenstehen.

als Aufenthalts- und Arbeitsbereich für die Mitarbeitenden dienen soll.
© Priedemann, Puttakhun Vongsingha
Priedemann geht die Ausrichtung seiner Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten strategisch an und fokussiert zukünftige Themen und Technologiefelder. Auf dem Radar stehen neben Aspekten wie Digitalisierung und Nachhaltigkeit insbesondere adaptive Fassaden und die Verwendung innovativer Materialien. Durch die aktive Beteiligung und Mitarbeit in verschiedensten (Forschungs-) Netzwerken, wie beispielsweise dem Innovationsnetzwerk smart3, bleiben die Mitarbeiter:innen nicht nur stetig auf dem neusten Stand in Bezug auf aktuelle Forschungserkenntnisse und haben Zugriff auf unterschiedliche Kompetenzen, sondern können so vor allem spannende und interdisziplinäre Projekte initiieren.
Für Priedemann ist es wichtig, neben den Technologien auch immer die Wünsche und Anforderungen des Nutzers mit im Blick zu behalten. Als Gesamtsystem werden Fassadeninnovationen konzipiert, konstruiert und dann als Testmuster und Demofassaden realisiert sowie auf Herz und Nieren getestet. Neben der Antragsforschung übernimmt das Team der Forschung und Entwicklung regelmäßig Forschungsaufträge Dritter, in denen die Umsetzung und das Marktpotential neuer Fassadenprodukte untersucht wird.

dass das Innovationsteam von Priedemann immer wieder neue Aspekte
in die Diskussion über nachhaltige Fassaden einbringt.
Foto: merlin Magazin, Sascha Linke

hier gedacht wird. Ergänzt durch eine interdisziplinäre Arbeitsweise und den offenen Austausch im Team entstehen überzeugende Fassaden.
Foto: merlin Magazin, Sascha Linke

unter realen Umweltbedingungen technisch untersucht und
den Kunden greifbar präsentiert werden.
Foto: Priedemann
Ein Ingenieursbüro – kein Fassadenbauer
Beim Betreten des Gebäudes steht man direkt im Showroom des Unternehmens. Das großzügige Erdgeschoss zeigt über 50 Fassadenelemente in Originalgröße – keine kleinen Handmuster, sondern geschosshohe, 1,35 Meter breite Trägerelemente inklusive Bekleidungsmaterialien, Ecklösungen und konstruktiven Details – so realistisch wie auf der Baustelle. Was zunächst überrascht: Priedemann stellt nicht nur eigene Entwicklungen aus. Im Gegenteil: Die meisten Ausstellungsmuster zeigen Produktlösungen und Materialien unterschiedlichster Hersteller. Das liegt daran, dass Priedemann kein Produktionsbetrieb ist, sondern ein unabhängiger Fachplaner, dem die Nähe zur gebauten Umsetzung entwickelter Lösungen sehr wichtig ist. Mit dem Ziel ganzheitlich gedachter und funktionierender Fassaden arbeiten Ingenieur:innen und Architekt:innen, Metallbau- und Konstrukteur:innen, Statiker:innen, Bauphysiker:innen, Akustiker:innen, Programmierer:innen und Akteure vieler weiterer Disziplinen unter einem Dach zusammen – interdisziplinär und erfahrungsgestützt seit über 30 Jahren.

Foto: merlin Magazin, Sascha Linke
Priedemann ist international aktiv und betreut Projekte weltweit. Das Spektrum reicht von historischen zu neuen Gebäuden, von voll verglasten zu opaken und von hochleistungsfähigen zu energieeffizienten Fassaden für alle Nutzungsformen – von Büro-, Hotel- und Kulturbauten bis zum Wohnungsbau. Eigene Repräsentanzen, wie im mittleren Osten in Dubai oder in Mumbai stellen in den internationalen Projekten sicher, dass Priedemann als Ansprechpartner am Ort des Geschehens verfügbar ist. Die internationale Vernetzung kommt auch den eigenen Entwicklungen zugute. So konnte das anpassungsfähige Sonnenschutzkonzept ADAPTEX nach anfänglicher Entwicklung in Deutschland am EcoHouse der German University of Technology in Oman realisiert und getestet werden. Das Monitoring des auf Formgedächtnislegierungen beruhenden Systems konnte in den anspruchsvollen klimatischen Bedingungen mit extremen Temperaturschwankungen zwischen Tag und Nacht vor Ort intensiv getestet und für die weitere Auslegung überprüft werden. Damit kommt das Team dem angestrebten Markteintritt einen bedeutenden Schritt näher.

Jedes Projekt ist anders. Wir müssen im jeweiligen Kontext verstehen, was ein Gebäude, dessen Nutzer und die Fassade braucht.
Dr.-Ing. Jens Böke, Head of Research and Development
Während die Forschungsaktivitäten auf breit einsetzbare technische Lösungen abzielen, ist deren Anwendung in einzelnen Projektsituationen hoch individuell. Jedes Projekt ist anders und stellt eigene Anforderungen: Es geht darum, stetig zu lernen und immer wieder neu zu verstehen, was die beste Konstruktionslösung für eine Fassade – auch unter Berücksichtigung bereits existierender Produkte am Markt – ist. Besonders spannend wird es aus Sicht von Jens Böke immer dann, wenn die Fassade zur aktiven Schnittstelle zwischen den äußeren Umweltfaktoren und den Komfortanforderungen seiner Nutzer wird. Dann gilt es umso mehr vielfältige Funktionen wie solare Verschattung, Wärmedämmung, Lüftung, Energieerzeugung und -Speicherung und viele weitere Aufgaben mitzudenken und sinnvoll zu integrieren. Planungen werden schnell komplex, weshalb Priedemann zunehmend auf die Entwicklung eigener Softwarelösungen setzt.
So thematisiert das Forschungsprojekt PV-Antiblend beispielsweise die geringe Akzeptanz von reflektierenden PV-Anlagen und entwickelt ein Planungstool, welches Blendungseffekte identifiziert und Alternativlösungen sichtbar macht. Im Rahmen der Forschungsförderung Zukunft Bau wird in Zusammenarbeit mit der Flachglas Sachsen GmbH sowie dem Fraunhofer Institut für Solare Energiesysteme (ISE) ein Plugin für die 3D-Planungssoftware Rhinoceros entwickelt. Ziel des Projekts ist es, Blendungsrisiken planungsseitig bereits während der Konzeption von PV-integrierten Fassaden erkennbar zu machen und negative Auswirkungen auf Personen, besonders auf Verkehrsteilnehmer zu verhindern.

zur Identifikation von Blendungs-Hotspots für den erfolgreichen Ausbau von Photovoltaik gearbeitet.
Foto: merlin Magazin, Sascha Linke
Effizienz und Nachhaltigkeit durch innovative Fassadenlösungen
Was alle Vorhaben und Ideen bei Priedemann eint, ist deren Ausrichtung auf Nachhaltigkeit und den effizienten Umgang mit Ressourcen – sowohl energetisch als auch materiell wie beispielsweise im vorgestellten Projekt DESTINI. Hierfür vereint die Firma ihr Verständnis ganzheitlich gedachter Entwürfe, ihren Anspruch an ästhetische Qualität und ihr Gespür für kundenseitige Vorstellungen funktionaler Mehrwerte. Vor diesem Hintergrund arbeiten die Abteilungen Digital Twin, Nachhaltigkeit und Forschung & Entwicklung bei Priedemann eng zusammen.
Ziel ist dabei immer die Entwicklung der besten Lösungen für die jeweilige Situation, welche sich aus der richtigen Konfiguration verfügbarer Produkte und Systemelemente, aus der Entwicklung neuer Technologien und Konstruktionen oder eben der Entwicklung neuer Planungstools zusammensetzt.

Foto: merlin Magazin, Priedemann

Bild: Priedemann, Puttakhun Vongsingha

Foto: merlin Magazin, Sascha Linke
Redaktion

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