Wir regeln den Fluss

Wir regeln den Fluss
Das Firmengelände von memetis liegt etwas abseits der Öffentlichkeit in einem Vorort von Karlsruhe. Hier, im Herzstück des Unternehmens, werden Hightech-Produkte aus Formgedächtnislegierungen (FGL) konzipiert, erprobt und gefertigt.
An einem sonnigen Frühlingstag heißen uns unsere Gastgeber Anna Vidina und Christof Megnin herzlich willkommen. Sie führen durch die Labore und berichten von der Entstehungsgeschichte der memetis-Produkte – von intelligenten Aktoren für Miniatur-Zugkupplungen bis hin zu vollständig FGL-gesteuerten mikrofluidischen Systemen für die automatisierte biomedizinische Forschung im Weltraum.



memetis wurde von drei begeisterten Ingenieuren gegründet, um die Flachfolien-FGL-Antriebstechnologie zur Marktreife zu bringen. 2017 erfolgte die Ausgründung aus dem Karlsruher Institut für Technologie (KIT), mit dem Ziel, die Potenziale dieser innovativen Aktuatorlösungen auszuloten. Im Mittelpunkt steht dabei ein besonderer Ansatz: Statt FGL-Drähte von der Rolle zu nutzen, gestaltet memetis hauchdünne, zweidimensionale Aktuatorstrukturen mit hoher Präzision. Seit einigen Jahren erhält das junge Unternehmen dabei Unterstützung vom italienischen Familienbetrieb Fluid-o-Tech – einem renommierten Hersteller von Pumpen und Innovationsführer im Fluid-Handling. Heute zählt das Team über 20 Mitglieder und pflegt seinen forschenden, kreativen Startup-Geist, in dem Teamarbeit und Experimentierfreude großgeschrieben werden.

Das Material ist die Maschine.
Christof Megnin, Geschäftsführer der memetis GmbH
memetis hat sich auf Flachformaktoren aus FGL spezialisiert, da sie – anders als Drahtaktoren – leichter zu integrieren sind und ein hohes Maß an gestalterischer Freiheit bieten. Form, Stärke, Breite und Länge des Aktuators bestimmen Kraft und Hub, während die robuste mechanisch-elektrische Anbindung eine zuverlässige Nutzung ermöglicht.

Das erste große Serienprojekt war die Einführung von FGL-Aktuatoren für Miniatur-Zugkupplungen des Traditionsunternehmens Märklin. Das flache Rohmaterial wird mit einer eigens entwickelten Laserschneidanlage strukturiert und anschließend einem speziellen thermomechanischen Training unterzogen – für eine gleichbleibende Leistung über den gesamten Lebenszyklus. So konnte memetis in den vergangenen Jahren über 100.000 Aktuatoren für Modellbahnkupplungen liefern. Sie ermöglichen es Modellbahn-Enthusiasten, Züge per Knopfdruck und kurzen Heizimpuls elektrisch zu entkuppeln.



Heute beliefert memetis Kunden aus Biowissenschaften, Medizintechnik, Konsumgüter- und Raumfahrtbranchen mit besonders kompakten Ventilen und fluidischen Subsystemen – dank kleinerer, leichterer und energieeffizienterer FGL-Aktuatoren.
Da ihr Miniaturventil nur einen Bruchteil der Größe eines Karamellbonbons misst, nutzt das memetis-Team zur Veranschaulichung gern ein 10-fach vergrößertes Modell. Formgedächtnislegierungen – auch als „intelligente Materialien“ bekannt – ermöglichen geräuschloses Schalten bei gleichzeitig höchster Energiedichte im Vergleich zu anderen Aktorkonzepten. Der kreuzförmige Aktuator für die Mikroventile (MVL) wiegt unter einem Milligramm, ist aber in der Lage, mehrere hundert Kilopascal über mehr als zehn Millionen Schaltzyklen hinweg zu steuern.



Diese kompakten Ventile wurden u. a. in biologischen Forschungsaufbauten eingesetzt, die ins All geschickt wurden. Mikrogravitationsexperimente ermöglichen neuartige Einblicke, etwa in die Gewebeentwicklung oder das Wachstum von Organoiden. Weil im Weltraum Gewicht und Volumen entscheidende Faktoren sind, hat memetis eine Multiventileinheit mit 24 Ventilen entworfen, die auf der Fläche eines Mikroskop-Objektträgers Platz findet. Im Rahmen des jüngsten Projekts entstanden zudem ein Prototyp für einen fluidischen Kanalverteiler sowie eine Steuerelektronik zur präzisen Ansteuerung der einzelnen Ventile im kompakten Gehäuse. Neben solchen Fluidiklösungen für Weltraumanwendungen hat memetis auch mechanische Auslöseeinheiten konzipiert, die nach dem Start einer Rakete zum Öffnen von Lasten im Weltraum eingesetzt werden.
Dieses Modul ermöglicht eine vollautomatische biomedizinische Forschung im Weltraum.
Anna Vidina, Business Developer memetis GmbH




Das Team ist stolz auf diese neue Systemlösung – auch, weil sie Kunden den Einstieg in die Produktprüfung erleichtert. So wurden anwenderfreundliche elektronische Steuereinheiten gestaltet, die das Schalten per Knopfdruck oder die Durchführung automatisierter Skriptsequenzen erlauben. Eine grafische Benutzeroberfläche (GUI) ermöglicht zusätzlich die intuitive Steuerung von Pumpen und Ventilen direkt über den Bildschirm. Inzwischen ist das Team nicht nur Spezialist für FGL-Aktoren: Es entwickelt eigene Elektronikkomponenten, fertigt Polymerteile mit submillimetergenauen Abmessungen und integriert Mikroventile in komplexe fluidische Subsysteme – optimiert für Versuchsreihen mit minimalem Reagenzienbedarf und ganz ohne manuelle Eingriffe.


Parallel zur Serienproduktion von Miniaturventilen arbeitet memetis an einer Vielzahl kundenspezifischer Projekte. Kunden, die FGL-Potenziale erschließen möchten, werden bei der Machbarkeitsanalyse, Konzeption und schrittweisen Umsetzung ihrer Ideen unterstützt. Für die Umsetzung kommen im eigenen Haus unterschiedliche Prototyping-Verfahren zum Einsatz. Ist das Design einmal finalisiert, kann die Produktion von Klein- bis Mittelserien – teils mit mehreren zehntausend Einheiten – nahtlos starten.
Unsere Gastgeber haben viel zu zeigen und zu erzählen – und so vergeht der Besuch wie im Flug. Mit Blick auf die kommenden Jahre zeigt sich das Team entschlossen, seine Präsenz in der Life-Science- und Raumfahrtbranche weiter auszubauen und den Anteil seriengefertigter Lösungen kontinuierlich zu steigern. Wir wünschen memetis dabei weiterhin viel Erfolg und danken für die herzliche Gastfreundschaft!

Anna Vidina
- Business Developer memetis GmbH
Christof Megnin
- Geschäftsführer der memetis GmbH
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