
Futurium
Im Futurium Berlin drehte sich im letzten Jahr alles um Rohstoffe als „Schätze der Zukunft“. Denn Rohstoffe bestimmen unser Leben, egal ob beim Häuserbau, als Energiequelle und Grundlage für Mobilität oder in Form smarter Lösungen für Batterien, Smartphones und elektronische Geräte.
Als Reaktion auf unser lineares Wirtschaftssystem, bei dem wir durch den Verbrauch von Ressourcen bereits an Grenzen stoßen, befinden wir uns derzeit am Beginn eines Transformationsprozesses hin zu einer Circular Economy, der sämtliche Lebensbereiche und Industrien verändern wird. Ein Re-Design ganzer Produktgruppen steht an, in dem ein neues Verständnis von Materialität etabliert wird. Dabei erhält die Verantwortung für die genutzten Ressourcen eine neue Bedeutung.
Neue Materialien, verlängerte Nutzungszeiträume und effizienter Materialeinsatz sind dabei zusätzliche Stellschrauben, um nachhaltiger mit unseren Ressourcen umzugehen. Hierbei können smart materials Hand in Hand gehen mit neuen Materialklassen. So lassen sich smart materials sehr gut zur Sensorierung neuer Werkstoffe einsetzen, um im Produktlebenszyklus konsequent die Qualität, Belastbarkeit und Ermüdung eines Materials zu überwachen. Produkte können auf diese Weise dünnwandiger ausgelegt bzw. länger verwendet werden, bevor sie dem Materialkreislauf wieder zugeführt werden.

Wir befinden uns am Beginn einer großen Transformation hin zu einer funktionierenden Kreislaufwirtschaft. Diese wird sämtliche Branchen verändern und ein Re-Design der meisten Produkte mit sich bringen. Bei der Gestaltung eines neuen Wirtschaftssystems mit zirkulären Geschäftsmodellen übernehmen Produktdesigner eine entscheidende Rolle. Denn sie sind es, die den zukünftigen Ressourcengebrauch planen und den Materialkreisläufen in der Produktkultur von Morgen eine Form geben.
Sascha Peters
In diesem Zusammenhang wird die neue Wirtschaftslogik in Harmonie mit der Natur funktionieren müssen. Dies betrifft vor allem die Branchen, in denen traditionell ein großer Anteil natürlicher Materialien Verwendung findet (z.B. Möbelindustrie), bzw. deren kurzlebige Produkte bislang meist mit synthetischen Kunststoffen umgesetzt werden (z.B. Textilien, Verpackungen).
Die weitreichendsten Innovationen findet man derzeit im biologischen Kreislauf an den Schnittstellen zwischen Biologie und Technik. So hat die Zukunftsagentur Haute Innovationen aus Berlin für das Futurium Lab eine Exponatsgruppe mit Materialinnovationen kuratiert, in der ein besonderer Schwerpunkt auf eine neue Generation von Biomaterialien gelegt wird.
Egal ob Lederersatzstoffe auf Basis von Orangenschalen und Krabbenpanzern, Schienbeinschoner aus Holz, Batterien mit ligninbasiertem Graphit oder Sensoren aus bakteriell erzeugter Nanozellulose: Eine ganze Reihe hochentwickelter Biomaterialien finden derzeit ihren Weg in die Märkte. Das Phänomen geht dabei mit einer Abkehr von synthetischen Werkstoffen und Materialien einher, die als Ursache für Mikroplastik in der Natur gelten und einen besonders großen CO2-Fußabdruck mit sich bringen können.
Dies gilt insbesondere für das Bauwesen, das für einen Großteil des menschen-gemachten Klimawandels verantwortlich ist. Das liegt zum einen an den verwendeten Baustoffen aus Beton, Stahl und Glas, und die mit ihrer Produktion verbundenen CO2-Emissionen. Zum anderen wurde der Wiederverwendung von Baustoffen in der Vergangenheit keine Bedeutung beigemessen.



Ein Blick in die Ausstellung
In der Ausstellung wird holz- und faserbasierten Baustoffalternativen eine hohe Bedeutung beigemessen. So wird TriqBriq-Holzbausystem vorgestellt, dessen modulare Bausteine im Verbund für tragende Außenwände aufeinander gesteckt und mit Buchenholzdübel verriegelt werden. Da vollständig auf künstliche Verbindungsmittel und Kleben verzichtet wird, können ganze Gebäudeelemente vollständig rückgebaut und die Holzbausteine erneut verwendet werden. Als Alternative für Holzfaserplatten mit synthetischem Binder wird zudem das Cocoboard in der Ausstellung vorgestellt. Dieses besteht vollständig aus Fasern von Kokosnussschalen, die mit einem natürlichen Biobindemittel aus Tanninextrakten verpresst werden. Das auf den Philippinen hergestellte biozirkuläre Plattenmaterial hat einen geringen ökologischen Fußabdruck und hervorragende Eigenschaften wie Feuchtigkeits- und Termitenbeständigkeit.

Einen Hebel zur Reduzierung des weltweiten Aufkommens von Mikroplastik in der Natur hat man vor allem überall dort, wo Kunststoffe als Additive in natürlichen Rohstoffen vermischt werden. Rund 35% des Mikroplastiks in der Umwelt hat seinen Ursprung beim Waschen synthetischer Textilien. 58% des Mikroplastiks in Ozeanen und Flüssen werden durch Farbstoffe verursacht. Schon seit längerem wird an alternativen Textilien und Farbstoffen gearbeitet, um synthetische Materialien und toxische Stoffe zu vermeiden.

Mit Bananatex wird in der Ausstellung das weltweit erste Gewebe gezeigt, das ausschließlich aus Fasern der Bananenpflanze hergestellt wird und am Ende des Produktlebens die Natur wieder mit Nährstoffen versorgen kann. Ursprünglich für die Herstellung von Taschen entwickelt, wurde das Bananenfasertextil jüngst in einer Jersey-Strickversion für ein umweltverträgliches und komplett biologisch abbaubares T-Shirt umgesetzt.
Seit Jahren versuchen Forscher bereits, Algen als Farbstoff im Textilbereich einzusetzen. Ein mit Schwarzalgen gefärbtes T-Shirt aus Baumwolle gilt als weltweit erstes kommerziell erhältliches Kleidungsstück überhaupt. Das T-Shirt in der Ausstellung besteht aus Bio-Baumwolle, zerkleinertem Eukalyptus und Braunalgen, einer Algenart, die in den Fjorden Islands geerntet wird.
Insbesondere Designerinnen und Designer haben entscheidenden Einfluss auf die Auswahl der verwendeten Materialien und somit auf die Kreislauffähigkeit eines Produkts. Bei der Transformation in eine funktionierende Kreislaufwirtschaft stoßen sie bei konventionellen synthetischen Kunststoffen immer häufiger an Grenzen der Kreislauffähigkeit. In der Ausstellung werden drei Designobjekte gezeigt, in denen gänzlich auf synthetische Kunststoffe verzichtet wird.
So nutzt die peruanische Designerin für den Entwurf einer Ölflasche Sonnenblumenkernpellets, die in großen Mengen in Ölmanufakturen überall in Deutschland anfallen. Diese bestehen zu einem großen Anteil aus den Schalen der Kerne sowie aus weiteren natürlichen Reststoffen.

Foto: Sascha Peters
Bei ihren Lautsprechern verbindet Philine von Düszeln traditionelles Töpferhandwerk mit moderner drahtloser Audiotechnologie. Das Gehäuse wird in Portugal aus eisenhaltigem Ton in Handarbeit gefertigt und mit nachwachsenden Rohstoffen wie Wolle, Holz und Kork kombiniert. Ein Einzellautsprecher ist für Raumgrößen bis 30 Quadratmeter geeignet.
In der Natur entstehen besonders leuchtende Farben wie bei Schmetterlingen durch mikroskopisch kleine Strukturen. Im Gegensatz zu herkömmlichen Pigmenten oder Farbstoffen gehen sie auf Reflexionseffekte an der Materialoberfläche zurück, nur bestimmte Wellenlängen des Lichts werden reflektiert. Shimmering Wood der Designerin Noora Yau aus Helsinki besteht vollständig aus Zellulose, deren Reflexions-Eigenschaften sie mit einer Nanozelluloseschicht an der Oberfläche realisiert. Strukturfarben stellen eine nachhaltige Alternative zu traditionellen Farbstoffen dar und verblassen im Sonnenlicht nicht.
In einer sehr angenehmen Anschaulichkeit zeigen Prof. Dr. Sascha Peters und Diana Drewes im Futurium Lab mit insgesamt 50 Materialschätzen, wie sich der Transformationsprozess in eine funktionierende Circular Economy durch eine neue Generation von Biomaterialien gestalten lässt.
Die Ausstellung ist noch bis Mitte 2027 zu sehen, der Eintritt ist kostenfrei.
Potential für smarte Materialkombinationen
In der Kombination von modernen Biomaterialien mit smart materials lassen sich weitere revolutionäre Anwendungen denken. Materialien, die auf ihre Umwelt reagieren und sich anpassen, aktiv die Kühlung von Gebäuden mitdenken und dabei nach ihrer Lebenszeit gut wiederverwenden oder kompostieren lassen, vereinen dabei die besten Qualitäten beider Materialklassen. So könnten Biomaterialien auch 3D gedruckt werden. Kombiniert mit den Erkenntnissen aus der Materialklasse der Programmierbaren Materialien ließen sich komplexe Anwendungen aus einem Material mit einprogrammierten Eigenschaften realisieren. Dabei sind diese deutlich besser wiederverwertbar als Laminate oder Materialmischungen herkömmlicher synthetischer Ausgangsmaterialien. Hier ist es an den Ingenieuren und Designern intelligente und innovative Kombinationen zu finden. Die Materialwelt ist groß und schier unerschöpflich. Man muss seinen Blick nur weiten. Ein Besuch im Futurium Berlin kann dafür Inspirationen liefern.

Prof. Dr. Sascha Peters
- Gründer und Geschäftsführer der Zukunftsagentur Haute Innovation (Berlin)
- Jury-Mitglied Red Dot Award – Product Design
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