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Essay

Orbitales Mondkraftwerk

eine Applikation für smart materials
Orbitales Mondkraftwerk

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eine Applikation für smart materials

Um die Energiewende zwecks Begrenzung der Erderwärmung hinzubekommen, sind schon seit Längerem Solarkraftwerke oberhalb der Atmosphäre Gegenstand des wissenschaftlichen Diskurses. Platz ist dort genug, und immer Sonnenschein. Das Problem besteht vielmehr im Transport des Stroms zur Erde, der mittels Mikrowellen auf riesige Gleichrichterantennen herunter gebeamt werden müsste. Futuristische Darstellungen gibt es genügend, verlässliche Kosten-Nutzen-Rechnungen stehen dagegen noch aus. Deswegen hat sich new-space-smart3 damit beschäftigt, diese Technologie zunächst einmal für den Erdmond zu durchdenken.

Das Szenario

Test eines Mondkraftwerks, das für künftige Mondmissionen eine stabile Energieversorgung gewährleisten soll. Dieses Experiment müsste in langfristig geplante Forschungsszenarien einpasst werden. Eine Übertragbarkeit der damit gewinnbaren Tauglichkeitsergebnisse auf die Energieversorgung der Erde wird dabei ausdrücklich intendiert.

Aber zunächst muss dieser Stromsatellit erst einmal in Mondnähe gebracht werden, was eine erhebliche Herausforderung darstellt. Als stabiler Ort bietet sich der sogenannte Lagrange-Punkt L1 an. Er liegt auf der Geraden zwischen Erde – Mond, ungefähr ein Siebentel der Distanz der beiden Himmelskörper vom Zielpunkt entfernt, das sind 56.000 Kilometer über der Mondoberfläche (58.000 km vom Masse­mittel­punkt). Zum Vergleich: Die geostationäre Satellitenbahn befindet sich etwa 36.000 Kilometer über dem Erdäquator. Der lunarstationäre Stromsatellit würde sich dagegen in diesem Orbit mit gleicher Winkelgeschwindigkeit wie der Mond um dessen Achse drehen. Eine Umdrehung dauert 27,2 Erdtage. Da er gleichzeitig einmal die Erde umrundet, sehen wir immer nur die Mondvorderseite. Der Satellit braucht dafür keinerlei Antrieb. Da er sich immer ortsfest über den Koordinaten der Mondstation befindet, könnte der auf die Gleichrichterantenne herunter gebeamte Strom ein Mondnetz speisen. Darüber hinaus sind auch mobile Gleichrichterantennen denkbar, wobei eine Gefahr für Menschen in diesem elektrischen Feld ausgeschlossen ist. Die satellitenseitige Parabolantenne in ihrer Ausrichtung muss präzis nachgeregelt werden, wofür ebenfalls Strom im Satelliten gebraucht wird.

Annähernd maßstabsgerechte Darstellung der Lage der Lagrange-Punkte L1 und L2 im Erde-Mond-System, km-Angaben beziehen sich auf die Massemittelpunkte;
© merlin Magazin

Die Kompetenz von smart3 liegt insbesondere in der Entpackung der in der Trägerrakete dicht gestapelten PV-Module zu einem großflächigen Solarsegel im Orbit. Dafür sind thermische Form­gedächtnis­legierungen (FGL) prädestiniert, weil sie die in der Schwerelosigkeit einmalig notwendigen Kräfte aufbringen können und ihr Arbeitsbereich zwischen –200oC und +100oC einstellbar ist. Diese Materialklasse hat sich in der Weltraumfahrt hervorragend etabliert – beispielsweise durch ihren Einsatz bei superelastischen Laufflächen von Fahrzeugrädern für Mond und Mars. In diesem Anwendungsfall geht es um Festkörperscharniere aus FGL, die 180o-Biegungen erlauben.

Warum sind runde Solarmodule gut zu entpacken?

Sogenannte Silizium-Ingots werden für PV-Wafer im Zonenschmelzverfahren zylindrisch hergestellt, z.Z. maximal Durchmesser 450mm (18“), Länge 600mm. Derartige abfalllos erzeugten Wafer erscheinen für diese spezielle PV-Anwendung sinnvoll. Idealerweise kann über die Festkörpergelenke aus FGL auch der solar erzeugte Strom in einer Reihenschaltung geleitet werden. Für die Geometrie des Solarsegels bietet sich die sogenannte dichte Kreispackung an. Um diese Geometrie nach Positionierung im Orbit herzustellen, muss sich der PV-Modulstapel automatisch entfalten.



Entfaltungsschema eines Sonnensegels mit 19 PV-Zellen in dichter Kreispackung

Prototyp eines runden PV-Moduls
Veranschaulichung einer
Gleichrichterantenne auf dem Mond, Ø ca. 200 m

Für eine drahtlose Energieübertragung zum Bedarfsort auf der Mondoberfläche muss eine Mikrowellenverbindung hergestellt und gehalten werden. Deren unumgängliche Voraussetzung: analog zu den geostationären Satelliten auf der Erde hier ein lunarstationärer, den es in Form des chinesischen Relais-Satelliten (Queqiao) auf der Mondrückseite im Lagrange-Punkt L2 bereits gibt. Für die Lagestabilisierung des Mondkraftwerks – einmal gegenüber der Sonne und zum anderen zur Gleichrichterantenne auf der Mondoberfläche – wird ebenfalls ein Teil des erzeugten Stroms gebraucht. Eine PV-Segelreihung, z.B. mit einer Gesamtleistung von 40kW, erscheint notwendig, aber durchaus machbar.

Ein Artikel von Frithjof Meinel
Frithjof Meinel
  • Professur Industriedesign
  • Konstrukteur und Designer, PENTACON Kamerawerke, Dresden
  • Studium Elektrotechnologie und Feingerätetechnik, TU Dresden
  • Lehre als Dreher
Exemplarische Dimensionierung eines lunarstationären Solarkraftwerks
Anzahl PV-Zellen in dichter Kreispackung: 19
Solarsegelabmessung: Ø 2,25 m
davon PV-Fläche: ca. 80 %
el. Leistung bei extraterrestrischer Sonnenstrahlung mit 60% Wirkungsgrad: ca. 2,5 kW (ganztägig)

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