Space Creator Day 2023
Space Creator Day 2023
Das vorletzte Wochenende im Oktober steht traditionell ganz im Zeichen des #teamSpace. Knapp 800 Raumfahrtenthusiast:innen trafen sich am 21. Oktober 2023 im Technikmuseum Speyer, um den Space Creator Day – das größte Meet & Greet der europäischen Raumfahrt-Community – zu feiern. Mit dabei waren auch Mitglieder des smart3-Netzwerks.
Raumfahrt im Dornröschenschlaf
Zehntausende Menschen wurden im Juli 1969 Augenzeugen, als Apollo 11 in Cape Canaveral (Florida, USA) zum größten Sprung der Menschheit ansetzte. Als Neil Armstrong am 21. Juli 1969 mit einem kleinen Schritt als erster Mensch den Mond betrat, verfolgte ein Millionenpublikum das Spektakel am Fernseher. Lange halten konnte sich diese Begeisterung für die Eroberung des Weltraums jedoch nicht. Schon Apollo 13 (April 1970) wäre den Medien kaum mehr als eine Randnotiz wert gewesen, hätte durch einen Zwischenfall nicht plötzlich das Leben der Besatzung auf dem Spiel gestanden. Im Dezember 1972 endete mit Apollo 17 das US-amerikanische Mondprogramm und die Raumfahrt verfiel zusehends in einen medialen Dornröschenschlaf. Schlagzeilen machten allenfalls Katastrophen wie beim Start des Space Shuttles Challenger (Januar 1986) oder dem Absturz der Columbia (Februar 2003) beim Wiedereintritt in die Erdatmosphäre.
Doch hinter den Kulissen drangen zahlreiche weltraumbasierte Technologien und Anwendungen kontinuierlich bis in unser aller Alltag vor. Ein Leben ohne Navigationsgerät, Wettervorhersagen oder TV, Telefon und Internet über Satellit ist für viele heutzutage schlicht undenkbar. Und spätestens seitdem SpaceX die Konstruktion einer zumindest teilweise wiederverwendbaren Rakete gelungen ist, ist auch die Begeisterung für Raumfahrt zurück. Mit einem Unterschied: Über die Entwicklungen in der internationalen Raumfahrtindustrie berichten weitgehend Space Creator. Also Influencer:innen und Content Creator, deren Schwerpunkte auf Astronomie sowie Raumfahrt liegen und die auf YouTube, X, Instagram oder TikTok regelmäßig ein interessiertes Millionenpublikum erreichen.
Raumfahrt-News auf Abruf
Die Gelegenheiten, Social Media-Stars im wahren Leben zu treffen und sich mit ihnen auszutauschen, sind rar gesät. Das liegt in erster Linie daran, dass einer Minute YouTube-Video mehrere Stunden Produktion gegenüberstehen. Hinzu kommen die Pflege weiterer genutzter Kanäle, der Austausch mit der Community oder auch administrative Aufgaben. Nichtsdestotrotz bilden so genannte Meetups einen festen Bestandteil der Verbindung zur Fangemeinde. Und die nimmt diese Angebote mehr als dankend an. Das zeigte sich schon beim ersten Space Creator Day 2022, zu dem rund 250 Teilnehmende aus allen Teilen Deutschlands ins Technikmuseum Speyer kamen.
Dabei hätten es noch weitaus mehr sein können, wenn das Ticket-Kontingent nicht aus Kapazitätsgründen begrenzt gewesen wäre. Denn geladen hatte nicht nur ein Space Creator, sondern gleich alle aus dem deutschsprachigen Raum. In dieser Form ein Novum, das auch auf internationaler Ebene Aufsehen erregte. Unter dem Bug der Buran – dem russischen Pendant zum US-amerikanischen Space Shuttle – gaben sich YouTuber, Podcaster und Blogger ein Stelldichein. Einen ganzen Tag lang beantworten sie Fragen ihrer Fans, verteilten Autogramme und standen für Fotos zur Verfügung. Schnell war klar: Es wird eine Fortsetzung geben.
Speyer im Weltraumfieber
Der Space Creator Day 2023 fand dann fast genau ein Jahr später statt. Wieder im Technikmuseum Speyer, wenn auch mit der Eventhalle Hangar 10 an einer neuen Location. Diese Änderung versprach, weit mehr Raumfahrtenthusiast:innen die Teilnahme zu ermöglichen. Nach nur wenigen Wochen war die Veranstaltung ausverkauft und avancierte mit knapp 800 Teilnehmenden zum größten Meet & Greet der europäischen Raumfahrt-Community. Zu diesem Erfolg trug nicht zuletzt der extra aus den USA angereiste Tim Dodd bei, dessen YouTube-Kanal Everyday Astronaut mehr als 1,5 Millionen Abonnent:innen verzeichnet. Aus Frankreich kommend hatte auch SpaceExplorerW eine weite Anreise. Mit Fokus auf die französische Raumfahrt erreicht sie regelmäßig tausende Zuschauer:innen auf Twitch und berichtete bereits live aus Kourou (Französisch-Guayana) vom Start einer Ariane 5. Insgesamt las sich das Line-up des SCD sich wie das Who-is-who der Raumfahrt-Influencer:innen. Denn selbstredend waren unter anderem auch Adrian Beil (NASASpaceflight), Tim Ruster (Astro-Tim) und Moritz Vieth (Senkrechtstarter) wieder in Speyer.
NewSpace trifft #teamSpace
Während eine Seite des Hangar 10 als Ausstellungsfläche dem so genannten #teamSpace vorbehalten war, präsentierten sich ihnen gegenüber Unternehmen, Organisationen und Institutionen der Raumfahrt. So waren mit HyImpulse, Isar Aerospace und Rocket Factory Augsburg gleich alle drei deutschen Microlauncher-Hersteller vertreten. Sie alle stehen bereits kurz vor den Erstflügen ihrer Raketen, mit denen in den kommenden Jahren vornehmlich Kleinsatelliten in den Weltraum gebracht werden sollen. Auch das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) und die Europäische Raumfahrtagentur ESA konnten die Veranstalter dafür gewinnen, auf dem SCD Präsenz zu zeigen. Das österreichische Startup GATE Space und das TU Wien Space Team zeigten, welche Möglichkeiten moderne Raumfahrt heute schon bietet und wohin sich die noch junge NewSpace-Industrie entwickeln kann. Einen Vorgeschmack lieferte auch das britische Unternehmen Space Forge, das sich auf die In-Orbit-Fertigung spezialisiert hat.
Ob Navigationsgeräte, Wettervorhersagen oder Satelliten-TV: Raumfahrttechnologien und satellitenbasierte Anwendungen gehören längst zu unserem Alltag. NewSpace – die Kommerzialisierung der Raumfahrt und ihre zunehmende Verzahnung mit der klassischen Wirtschaft – eröffnet darüber hinaus noch viele weitere Möglichkeiten und Anwendungsgebiete.
Raumfahrttechnologie neu gedacht
Kein Weg vorbei führte am NEUESWagen, der prominent vor dem Eingang des Hangar 10 positioniert war. So konnte smart3 im Außenbereich eindrucksvoll zeigen, welche Möglichkeiten smarte Materialien und intelligente Werkstoffe bieten. Auf besonderes Interesse stießen dabei Formgedächtnislegierungen (FGL). Nicht zuletzt, weil die US-amerikanische Raumfahrtbehörde NASA vor wenigen Jahren mit ihrem „Shape Memory Alloy Tire“ für Mars- und Mond-Rover das Rad buchstäblich neu erfunden hat. Wie man die Eigenschaften von FGL nutzen kann, um zum Beispiel Aktoren in Satelliten deutlich zu verkleinern, erklärten Dr. Kenny Pagel und Andreas Erben, die das Fraunhofer IWU auf dem Space Creator Day vertraten.
Ebenfalls in Speyer war Dr. Sven Langbein, der nicht nur Kunststoffverarbeitung Hoffmann präsentierte, sondern auch das unter seiner Führung neu gegründete Startup Lamb Space. Dessen Ziel ist es, die Serienfertigung von Satellitenstrukturen zu ermöglichen. Sofern alles klappt, könnte sich schon in wenigen Jahren ein Technologiedemonstrator im All befinden. Dass das bei den Besucher:innen des Space Creator Days für leuchtende Augen sorgte, war nicht anders zu erwarten.
Neugier schafft Begeisterung
Und auch die drei Werkstoffwissenschaftler zogen nach Abschluss des Events ein positives Resümee. Ihre Teilnahme am SCD 2023 bezeichneten sie unisono als einen spannenden Ausflug in die Welt der Raumfahrt-Community. Überrascht waren sie vor allem vom hohen Grad des Fachwissens, den zahlreiche Gäste während ihres Besuches am NEUESWagen an den Tag legten. Letztlich zeige sich daran, dass selbst komplexe Themen interessant vermittelt werden können. Wo immer dies gelingt und dann auf eine gesunde Portion Neugier trifft, kann auch Begeisterung entstehen. Welches Potenzial die Raumfahrt und mit ihr verwandte Themen dafür bieten, hat der Space Creator Day 2023 gezeigt. Und er wird es auch 2024 wieder tun – abermals in Speyer, mit noch mehr Teilnehmenden und bestenfalls wieder mit Mitgliedern des smart3-Netzwerks.
Dr. Sven Langbein
- Geschäftsführer Lamb Space Tech GmbH
- Geschäftsführer Kunststoffverarbeitung Hoffmann GmbH
Dr.-Ing. Kenny Pagel
- Abteilungsleiter Formgedächtnistechnik, Fraunhofer IWU Dresden
Dipl.-Ing. Andreas Erben
- Wissenschaftlicher Mitarbeiter Formgedächtnistechnik, Fraunhofer IWU Dresden
Redaktion
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